Das Jahr 2015 wird von der FAO (die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) zum „Internationalen Jahr des Bodens“ ausgerufen. Ziel dieser Initiative ist es, die Bedeutung der Böden und die damit verbundenen Kreisläufe unserer modernen Gesellschaft wieder bewusst zu machen.
Es mag für viele – vor allem naturverbundene – Menschen befremdlich erscheinen, die Bedeutung und die Notwendigkeit des Schutzes unserer Böden extra hervorheben zu müssen. Bei genauerer Betrachtung, scheint es jedoch, als würde unsere Gesellschaft sehr bemüht daran arbeiten, sich selbst dieser Lebensgrundlage zu entziehen.
Grund und Boden- bereits unsere Sprache weist darauf hin, dass früher bewusst zwischen einer Quantität – Grund oder Fläche und einer Qualität – der Boden und dessen Eigenschaften unterschieden wurde. Boden ist somit nicht nur die Fläche auf der wir wohnen und uns bewegen, er ist vor allem die Voraussetzung für die Produktion von Lebens- und Futtermitteln. Ein funktionierendes Bodenleben unterstützt die Fähigkeit des Bodens als Filter- und Speichermedium für Niederschlagswasser zu wirken und ist somit auch für die Qualität unseres Trinkwassers von höchster Bedeutung. Der Boden ist aber auch Träger unserer Kulturlandschaft und Standort für alle Landpflanzen und wichtiges Bindeglied in den natürlichen Kreisläufen. Bereits 1972 wurde in der Bodencharta des Europarates ausdrücklich festgehalten, dass Boden aufgrund seiner Lebensraum- Regelungs- und Nutzungsfunktion neben Wasser und Luft zu den kostbarsten und damit schätzenswürdigsten Gütern der Menschheit gehören. Boden ist ein nicht vermehrbares Gut, für die Ernährung stehen derzeit jedem Menschen 0,2 ha zur Verfügung.
Es geht jedoch nicht nur um die Fläche allein, sondern neben natürlichen Faktoren wie Klima, Hanglage, Wasserverfügbarkeit… auch um die Art und Weise wie diese Böden bearbeitet werden. Vor allem das Zusammenspiel zwischen richtiger Bodenbearbeitung, Fruchtfolgen und einer konsequenten Kreislaufwirtschaft beeinflussen die Bodenfruchtbarkeit. Bodenfruchtbarkeit ist die Fähigkeit eines Bodens, Frucht zu tragen, d.h. den Pflanzen als Standort zu dienen und nachhaltig regelmäßige Pflanzenerträge von hoher Qualität zu erzeugen. Der Grundsatz „Ernähre deinen Boden und du ernährst deine Pflanzen“ war stets zentrales Element jahrtausende alter landwirtschaftlicher Kulturformen. Das Hauptaugenmerk der damaligen Landwirtschaft lag nicht in der Maximierung der Erträge sondern im Humusaufbau. Die konsequente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in Form organischer Düngung von Stallmist, Pflanzenrückständen, Gesteinsmehlen aber auch die Rückführung menschlicher Abfälle und Exkremente auf die Böden waren selbstverständlich. Die Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit stand an erster Stelle.
Die Gegenwart zeigt, dass dieses natürliche Verständnis für Boden und die damit einhergehenden Kreisläufe sich stark gewandelt hat. Unsere Gesellschaft lebt und wirtschaftet so, als wäre die Ressource Grund und Boden unbegrenzt verfügbar. So sind ca. 5 % der Gesamtfläche von Österreich als Bau- und Verkehrsflächen ausgewiesen, 40 % davon sind versiegelt. Der tägliche „Verbrauch“ für Siedlungs- und Verkehrstätigkeit liegt bei 7 ha, während der „Gesamtflächenverbrauch“ (inkl. Sport- und Lagerplätze, Werksflächen …) bei 22 ha liegt.
Dies entspricht im Jahr einer Fläche in der Größe von ca. 9.000 großen Fußballfeldern. Tendenz steigend.
Gesunde, funktionierende Böden schützen nicht nur das Grundwasser in dem sie Niederschlagswässer filtern und indem Schadstoffe durch das Bodenleben teilweise abgebaut werden, sie können auch durch ihre Speicherfunktion Hochwässern die extremen Spitzen nehmen. Je stärker Oberflächen versiegelt sind, desto geringer ist dieses Potential.
In einigen Bereichen wie z.B. der Landwirtschaft führt die zunehmende Nutzung und Verknappung der Ressource Boden zu einem intensiveren Nutzungsdruck. Die fortschreitende Technisierung und Intensivierung im Ackerbau führt zu Konflikten mit negativen ökologischen Auswirkungen.
Verdichtete Böden, Böden denen Humus und die damit verbundene mikrobiologische Lebendverbauung (Ton-Humuskomplexe) fehlen, Monokulturen u.v.m. führen zu einem Anstieg von Problemen wie der Erosion durch Wasser oder Wind. Pro Hektar gehen allein in Österreich jährlich sieben Tonnen mehr oder minder fruchtbaren Bodens verloren. Damit liegen wir innerhalb der EU im traurigen Spitzenfeld. Ein großer Teil des erodierten Bodens wird dann mit Flüssen weiterverfrachtet. Z.B. passieren einer Schätzung zufolge jährlich ca. 2.100.000 Tonnen erodiertes Material die Donau.
Dass dieser erodierte Oberboden unsere Lebensgrundlage darstellt, sollte jedem – vor allem aber den Bauern bewusst sein. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und somit auch der Erhalt unserer Lebensgrundlage sollte somit an oberster Stelle stehen. Leider zeigt die Realität ein ganz anderes Bild: der Bauer von einst hat sich zum Betriebswirt gewandelt, dessen Ziel weniger darin liegt, vorhandene Ressourcen wie Humusgehalt und Bodenfruchtbarkeit zu erhalten oder sogar zu fördern, sondern der genötigt ist, seine Landwirtschaft und die darauf erfolgende Produktion von Lebensmitteln ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Kriterien zu führen. Somit stehen Produktionssteigerung, Kostenminimierung und Gewinnmaximierung als Kennzahlen im Vordergrund und definieren heute den erfolgreichen Landwirt. Gerade im Bereich der Landwirtschaft wird der Begriff „Wachse oder weiche“ gelebt und einer industrialisierten Landwirtschaft – mit allen Konsequenzen - Vorschub geleistet. So verdient nur noch jeder 20. Erwerbstätige in Österreich seinen Unterhalt in der Land- und Forstwirtschaft. Klein strukturierte Betriebe verschwinden zunehmend und viele Betriebe müssen sich, um wirtschaftlich überleben zu können, spezialisieren.
Reine Mast- Milch oder Zuchtbestriebe entstehen, die jedoch nicht mehr die Zeit und / oder Kapazität haben, sich auch um die Bewirtschaftung ihrer Böden zu kümmern. Arbeiten am Acker oder auf Wiesen werden an Dienstleister ausgelagert, die wiederum unter Zeitdruck mit immer größeren Maschinen und unabhängig von Witterung oder Bodenbeschaffenheit die ihnen aufgetragenen Arbeiten – mit teilweise verheerenden Konsequenzen für den Boden - durchführen. Monokulturen, Versalzung und Verdichtung der Böden, verstärkte Erosion, Diversitätsverlust, Gülletourismus, obligatorischer Herbizid- und Pestizideinsatz, verstärkte klimarelevante Emissionen aus der Landwirtschaft, sind Schlagworte, die u.a. der Industrialisierung der Landwirtschaft geschuldet sind.